Paradigmenwechsel: Einbeziehung von Landschaftspräferenzen und Ökosystemleistungen in Standortszenarien für erneuerbare Energien

Mit einem ganzheitlichen Ansatz in der Schweiz definiert diese Studie die Standortwahl für erneuerbare Energien neu, indem sie Ökosystemleistungen und öffentliche Präferenzen integriert und herkömmliche Methodologien herausfordert, die nur technische und wirtschaftliche Faktoren priorisieren.

von Adrienne Grêt-Regamey

Forscher der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald-, Schnee- und Landschaftsforschung WSL, der ETH Zürich und der TU Wien haben einen innovativen Ansatz für die Standortwahl von Infrastrukturen für erneuerbare Energien in der Schweiz entwickelt. Der leitende Autor Boris Salak (WSL/TU Wien) und seine Kollegen Felix Kienast und Marcel Hunziker (WSL), Adrienne Grêt-Regamey und Ulrike Wissen Hayek (ETH Zürich) sowie Reto Spielhofer (ETH Zürich/NINA Trondheim), zeigen eine Abkehr von traditionellen Methoden, die hauptsächlich technische und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen.

Innovation in der Planung erneuerbarer Energien

Die Studie konzentriert sich darauf, externe Kosten, die mit Ökosystemleistungen und sozialen Präferenzen verbunden sind, in die Standortplanung für erneuerbare Energieinfrastrukturen zu integrieren. Diese Methodik ist besonders relevant, da die Schweiz wie viele andere Länder vor der Herausforderung steht, auf nachhaltige Energielösungen umzusteigen, während sie das empfindliche Gleichgewicht ihrer vielfältigen Landschaften und ihres kulturellen Erbes respektiert.

Optimierungsstrategie
Die Forscher nutzten Marxan, eine Optimierungssoftware, um verschiedene Standortszenarien zu analysieren, mit dem Ziel, so genannte „externe Kosten“ zu minimieren und gleichzeitig den Energieertrag zu maximieren. Drei Hauptstrategien wurden untersucht:

  1. Die Energieanlagen sollten dort platziert werden, wo sie am meisten Energie produzieren können (Priorität: Energieeffizienz),
  2. Die Anlagen sollten dort platziert werden, wo sie den geringsten Verlust an Ökosystemleistungen verursachen (Priorität: Erhaltung der Ökosystemleistungen),
  3. Die Anlagen sollten dort platziert werden, wo sie von der Bevölkerung am ehesten akzeptiert werden (Priorität: öffentliche Akzeptanz). Jedes Zielszenario orientiert sich an der durch die Abschaltung der Atomkraftwerke benötigten erneuerbaren Energieproduktion von 25 TWh/a.

Erkenntnisse und Implikationen Die Studie hebt die räumlichen Konsequenzen sich ändernder Prioritäten hervor. So war die Strategie der Energieeffizienz (1) zwar räumlich effizient, es wurde weniger Raum beötigt da die Standorte mehr Energie liefern konnten, führte jedoch zu einem bedeutenden Verlust an Ökosystemleistungen und überraschenderweise zu niedrigen sozialen Kosten. Andererseits führte die Priorisierung des Erhalts von Ökosystemleistungen (2), obwohl ökologisch sinnvoll, zu deutlich erhöhten sozialen Kosten und war räumlich bedeutend weniger effizient. Die sozial orientierte Strategie (3) erwies sich als ausgewogener Ansatz, der räumliche Effizienz mit den niedrigsten sozialen Kosten und einem geringeren Verlust an Ökosystemleistungen im Vergleich zur Energieeffizienzstrategie erreichte.
Die Studie zeigt, dass die Energiewende hauptsächlich in den landwirtschaftlich und siedlungsdominierten Gebieten des Mittellandes (von St. Gallen bis Genf), in den urbanisierten Hauptalpentälern (z.B. das Rhonetal) und in den Alpenlandschaften, die durch touristische Infrastruktur gekennzeichnet sind (z.B. Skigebiete), stattfinden wird. Obwohl diese Standorte sowohl aus ökologischer als auch aus sozialer Sicht mit teilweise hohen Kosten verbunden sind, zeigt das Optimierungsmodell, dass sie für eine erfolgreiche Energiewende so entscheidend sind, dass sie nicht adäquat ersetzt werden können.

Ein Schritt hin zu einer inklusiven und gerechten Energieplanung
Die Studie zeigt weiter, dass es Standorte für Energieanlagen gibt, die von der Bevölkerung akzeptiert werden, räumlich effizient sind und minimale Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dies erfordert jedoch einen Paradigmenwechsel in der Planung und eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung am Entscheidungsprozess. Es geht nicht nur darum, technische Lösungen zu finden, sondern auch darum, die soziale Dimension der Energiewende zu verstehen und zu integrieren. Nur auf diese Weise kann das Ziel von 25 TWh/a erneuerbarer Energie erreicht werden. Dies kann allerdings nur ein erster Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energiezukunft sein, denn es betrifft lediglich die Abschaltung der Kernkraftwerke. Um fossile Brennstoffe in unserem Energiesystem durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen, wird die Schweiz wahrscheinlich drei- bis viermal so viel erneuerbare Energie produzieren müssen. Es unterstreicht die Bedeutung, die Bevölkerung in diese Entscheidungen einzubeziehen, um den Energiewechsel sozial akzeptabler und ökologisch verantwortungsvoller zu gestalten. Hierfür wird ein Paradigmenwechsel in der Planung der Infrastruktur für erneuerbare Energien benötigt. Es braucht einen ausgewogenen Ansatz, der nicht nur technische Lösungen, sondern auch die ökologischen und sozialen Dimensionen des Energiewechsels umfasst. Es ist zunehmend wichtig, eine sektorübergreifende Perspektive zu übernehmen, da diese Ergebnisse dazu dienen, das Bewusstsein bei entscheidungstragenden Personen zu schärfen, damit sie informierte Entscheidungen treffen können.

Lesen Sie den ganzen Artikel:

Shifting from techno-economic to socio-ecological priorities: incorporating landscape preferences and ecosystem services into the siting of renewable energy infrastructure.
Boris Salak, Marcel Hunziker, Adreienne Grêt-Regamey, Reto Spielhofer, Ulrike Wissen Hayek and Felix Kienast, 2024
PLOS ONE

DOI: externe Seitehttps://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0298430

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